ECRA Mitglied Christin Diegmann:


„Data Stewardship als Konzept sollte allen Forscher:innen als Leitfaden für die ethischen, rechtlichen und technischen Aspekte im Umgang mit personenbezogenen Gesundheitsdaten dienen."

Forschungsdaten sind Grundlage fast jeder Forschungstätigkeit. Es handelt sich hierbei um (digitale) Daten, die je nach Fachkontext Gegenstand eines Forschungsprozesses sind, während eines Forschungsprozesses entstehen oder deren Ergebnis sind. Es ist geboten, mit diesen Daten sorgfältig umzugehen und fachlich adäquate Nachnutzungsmöglichkeiten zu prüfen. Der Datenlebenszyklus kann helfen, die einzelnen Prozesse und Schritte im Umgang mit Daten zu verstehen. Trotzdem bleiben für die Forscher:innen Fragen offen, wie etwa: Um welche Daten handelt es sich? Was gibt es für Unterschiede zwischen nicht-persönlichen und persönlichen Daten und wie sollen diese Daten sowie die dazugehörigen Datenspender ethisch und rechtlich behandelt werden? Da diese Fragen mehr als nur technokratische Services (Repositorien), Lösungen (Software & Lizenzen) und Verantwortungsebenen (Datentreuhänderschaft) tangieren, kann hierfür das Data Stewardship-Konzept als Hilfestellung und zur praktischen Begleitung von großem Nutzen sein.

In den Gesundheitswissenschaften wie auch in der Medizinethik wird häufig für die Betrachtung von Moralitäten, zwischen verschiedenen Akteur:innen und für die Gewichtung von Handlungen- und Folgeentscheidungen, in verschiedene Ebenen separiert: die Mikroebene, Mesoebene und Makroebene. Für das Data Stewardship bedeutet dies auf Mikroebene eine Betrachtung der Bedürfnisse der Datenspender:innen. Auf der Mesoebene sollten technische Modelle der Anonymisierung und Re-Anonymisierung institutionell und informationstechnisch bereitgestellt werden. Diese sollten auf der Makroebene den staatlichen, supranationalen Regularien entsprechen und gesundheitspolitische Entscheidungen unterstützen.

Für den Umgang mit Daten kann das Data Stewardship einen essentiellen Beitrag leisten, um Forscher:innen für diese ethischen und rechtlichen Aspekte zu sensibilisieren. Insbesondere mit der Perspektive, Originaldaten auf haltbaren und gesicherten Trägern für eine unbestimmte Zeit und für unbestimmte Zwecke aufzubewahren und nach Möglichkeit nachnutzen zu wollen.

Der Hintergrund

In Bezug auf die Forschung und die Verwendung von Gesundheitsdaten sind insbesondere Einwilligungserklärungen der Proband:innen und Patient:innen von Interesse. In schriftlichen Einwilligungserklärungen findet sich stets ein Passus, der die Einwilligung der Weitergabe personenbezogener Daten für medizinische Forschungszwecke umfasst. Diese Zwecke nach Artikel 89 DSGVO sind wissenschaftlicher, historischer und statistischer Art und erfordern geeignete Garantien, also technische und organisatorische Maßnahmen, um die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen zu gewährleisten. Personenbezogene (Gesundheits-)Daten sind definiert als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse von bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Personen. Hierzu zählen beispielsweise Adressen, Einkommen und vor allem Daten in Bezug auf die persönliche Gesundheit. Im Umgang mit diesen sensiblen, personenbezogenen Daten kann das Data Stewardship neben der technischen auch eine ethische und rechtliche Unterstützung geben. Zu Studienbeginn sind, neben der Vergabe von Drittmitteln, die Erstellung der Studienprotokolle und der Antrag bei der Ethikkommission existentielle Schritte.

Erst nach deren Bewilligung kann ein Datenmanagementplan, welcher mittlerweile von vielen Sponsoren erwartet wird, die Forschungsarbeit und vielfältige Datenprozesse strukturieren. Der Datenmanagementplan enthält Angaben über die Ziele, die Daten(-Quellen), die Dokumentation, die Art der Speicherung, die Kosten sowie rechtliche und ethische Aspekte eines Forschungsprojektes. Neben dem Datenmanagementplan wird von den Sponsoren auch zunehmend ein Data sharing als Bestandteil neuer Arbeitsqualität in der Forschung erwartet. Hier benötigen die Forschenden Unterstützung, da der Wert jener Erwartung für die Forschenden auch an monetäre Infrastrukturen seitens der Universität gebunden ist. Der wissenschaftliche Austausch, die nachhaltige Nutzung von Daten und die Förderung einer interdisziplinären Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinaus, kann allerdings nur dann gelingen, wenn diesem konzeptionell und möglichst ganzheitlich begegnet wird. Neben den hohen wissenschaftlichen Anforderungen, der technischen Relevanz des Themas Datenmanagement und –Migration, spielt auch das Wohl der Datenspender eine signifikante Rolle.

Die personenbezogenen Daten sollen für die Gesundheitsförderung und Prävention genutzt werden. Daher ist die Untersuchung des Konzeptes Data Stewardship aus gesundheits- und geisteswissenschaftlicher Perspektive dringend geboten. Bis dato werden zwar viele Arbeitskräfte mit digitalen Kompetenzen i.S. von Data Steward:dess oder Data Scientist gesucht, aber es fehlen eindeutige Definitionen und klare Vorstellungen über die Rolle und die Aufgaben dieses Berufsbildes. So werden diese neuen Berufungen mit einer Vielzahl von Aufgaben und Verantwortlichkeiten assoziiert. Diese Aufgaben werden allerdings teilweise schon von anderen Professionen wahrgenommen. Data Stewardship sollte in seiner Beratungsleistung daher deutlich mehr als die bisher im Zentrum wahrgenommen technischen, statistischen Fragestellungen und administrativen Dienstleistungen umfassen, denn personenbezogenen Daten erfordern neben einer Sensibilität auch eine Verantwortlichkeit in der Komplexität des Ganzen.

Data Stewardship kann im gesundheitswissenschaftlichen Ansatz als komplexe Intervention verstanden werden, da sich das Konzept durch folgende Eigenschaften auszeichnet:

  1. Komplexe Interventionen umfassen multiple, synergistische Komponenten, sodass deren Summe mehr ist als ihre Teile
  2. Komplexe Interventionen nutzen einen „multi-level“-Ansatz; sie beziehen sich oft sowohl auf soziale und Umweltdeterminanten als auch auf individuelle Kompetenzen und Verhaltensweisen
  3. Komplexe Interventionen interagieren mit ihrem Kontext
  4. Komplexe Interventionen können selbst komplex sein, genauso können sie durch den Kontext, in dem sie angewandt werden, komplex werden. Wechselwirkungen zwischen Intervention und Kontext können die Komplexität weiter verstärken und
  5. Komplexe Interventionen umfassen spontane, unvorhersehbare und nicht-lineare Zusammenhänge zwischen beteiligten Komponenten und den Outcomes

Das Konzept Data Stewardship kann in Anbetracht dessen und des geltenden Kodex der Wissenschaft, innerhalb dessen die Daten als Gut verstanden werden, welches auch der Nachwelt zur Verfügung stehen sollten als eine komplexe Intervention verstanden werden.

Für die nähere Bearbeitung dieser Intervention kann das Medical Research Council verwendet werden. So wird im ersten Schritt des Promotionsprojektes (Development) eine umfassende deduktive (von der Regel ausgehend) und induktive (vom Fall ausgehende) Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Hierzu werden gegenwärtig tätige Data Steward:dess analysiert, vernetzt und von der Doktorandin zu seinen/ihren Werdegängen, Professionen und seinem/ihrem Berufsverständnis als Data Steward:dess untersucht. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen darüber hinaus die eigenen Weiterbildungen des/der Data Steward:dess sowie die Weiterbildung i.S. eines Curriculums, das er/sie selbst im Rahmen seines/ihres Standortes implementieren wollen. Die Ergebnisse dieser Erhebung sollen eine Standardisierung des Berufsbildes eines/einer Data Steward:dess fördern, um vor allem Forschenden die Leistung von Data Stewardship unabhängig von Personen und Einrichtungen deutschlandweit einheitlich beschreiben zu können. Im zweiten Schritt (Feasibility and Piloting) soll im Sinne einer engmaschigen Prozesskontrolle die Etablierung von Data Stewardship begleitet werden. Hierzu werden in einem Pilotprojekt konkrete Fälle als Studienbegleitung bearbeitet. Die sich daraus ergebenden rechtlichen und ethischen Konflikte und Fragestellungen sollen näher betrachtet werden. Ein möglicher Kernkonflikt könnte sich zwischen dem Datenspender:innen (Patient:in, Proband:in) und den Forscher:innen (auch im Rollenkonflikt als Arzt oder Ärztin verorten lassen. Der dritte Schritt (Evaluation) die Kosten und Nutzen von Data Stewardship für die Forschung, die Forschenden und die Forschungseinrichtungen analysieren und den angedachten Veränderungsprozess auf seinen Erfolg hin bewerten. Hierin wird sich zeigen ob das Data Stewardship sich als Konzept und oder als selbstständige Entität im Sinne eines Data Stewards:dess unter den Professionen im Gesundheitswesen etablieren kann, oder ob sich Teile des Konzeptes in den bereits bestehenden, divergenten Professionen im Forschungsdatenmanagement als Zusatzqualifikation bzw. Nebenaufgabe wiederfinden wird.

Kontakt-Details

Christin Diegmann, Dipl.-Soz.Arb. M.Sc. M.A.

Medizinische Berufsfachschule am Universitätsklinikum Leipzig AöR

Mail: christin.diegmann@medizin.uni-leipzig.de


 

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