Leibniz ScienceCampus Digitale Kolloquiumsreihe zum öffentlichen Gesundheitswesen:
13. November 2020, 14:00 - 15:30 Uhr
Zoom-Link: https://uni-bremen.zoom.us/j/94027023247?pwd=UkpBdkwrbnA2cWw0UHlaWDVrZE9odz09
Sitzungs-ID: 940 2702 3247
Kenncode: 9HhhH6!
Titel: Der Patienten-Manager: Empowerment oder technologische Bevormundung?
Referentin:
Dr. Katleen Gabriels
Assistenzprofessor für Philosophie und Ethik der Computertechnologie
Philosophische Fakultät, Universität Maastricht, Niederlande
Zusammenfassung:
Wie wird ein 'guter' Patient in naher Zukunft aussehen? Jemand, der seinen Gesundheitszustand und seine chronischen Krankheiten durch die Verwendung von Wearables und Apps genau beobachtet und sein Verhalten und seine Behandlung entsprechend anpasst? Dieser Vortrag wirft einen kritischen Blick auf den Begriff des "Patienten-Managers". Ausgangspunkt ist eine qualitative Studie, für die Experteninterviews mit Ärzten durchgeführt wurden (Gabriels & Moerenhout, 2018). Ziel dieser Studie war es, zum einen zu analysieren, wie Ärzte die (klassischen und digitalen) Self-Tracking-Methoden in ihrer Praxis bewerten, und zum anderen die zu erwartenden Veränderungen zu untersuchen, die die digitale Selbstversorgung im Vergleich zu unseren Ergebnissen und denen anderer Studien mit sich bringen wird. Interessanterweise war der Patient als Gesundheitsmanager ein wichtiges Thema, das sich aus dem Datenbestand ergab. Die Befragten beschreiben sowohl Chancen als auch Bedenken auf nuancierte Weise.
Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird das Konzept des "Patienten-Managers" eingehender untersucht. In den letzten zehn Jahren haben sich Technologieentwickler, politische Entscheidungsträger, Forscher und Ärzte zunehmend an den Patienten im Sinne eines Managers seiner Gesundheit gewandt. Dieser konzeptionelle Wandel ist mit dem Aufkommen intelligenter Technologien, insbesondere der digitalen Selbstverfolgung, verbunden. Als CEO Tim Cook zum Beispiel nach dem größten Beitrag von Apple gefragt wurde, antwortete er: "Wir nehmen, was mit der Institution gewesen ist und befähigen den Einzelnen, seine Gesundheit zu managen. [...] Aber ich denke, rückblickend betrachtet, werden Sie diese Frage in Zukunft beantworten: Apples wichtigster Beitrag für die Menschheit ist die Gesundheit".
Die datenbankgestützte künstliche Intelligenz (KI) bietet eine Fülle von Möglichkeiten, Patienten zu Hause zu überwachen, wie z.B. eine intelligente Videoüberwachung, die auch tragbare Kameras umfassen kann. Gleichzeitig können Patienten, deren Wohnung mit Sensoren und/oder Kameras ausgestattet ist, auch digitale Selbstverfolgungstechnologien am Körper tragen (vgl. Internet der Dinge). All diese Daten können ausgetauscht werden, um Muster zu analysieren. Was ist das letztendliche Ziel des befähigten Patienten als "Gesundheitsmanager"? Inwieweit führt der Wechsel zum Patienten-Manager zu einem neuen Abhängigkeitsverhältnis, das gegenwärtig vernachlässigt wird, nämlich die Abhängigkeit von intelligenter Technologie oder "technologischer Abhängigkeit" (vgl. Hofmann, 2003)?
Dieser Vortrag basiert auf Forschungsarbeiten, die Dr. Gabriels zusammen mit Dr. Tania Moerenhout, University of Otago, Neuseeland, durchgeführt hat.
An den Vortrag (ca. 45 Minuten) schließt sich eine Diskussion an.
Donnerstag, 01 Oktober 2020 13:18